Oktober & November 2022

Dankt dem HERRN, denn er ist gut und seine Gnade bleibt ewig bestehen.“ 

Psalm 118,1

Gerade habe ich die Oberammergauer Passionsspiele erlebt, ein tolles Erlebnis. Ein ganzes Dorf stellt seit 1634 in diesen Spielen die letzten 5 Tage im Leben Jesu nach und erfüllt damit ein Gelübde nach einer überstandenen Pest. Fast alle zehn Jahre gibt es seitdem dieses beeindruckende Schauspiel und zieht Menschen aus aller Welt in das Dorf. Diese Spiele sind aus Dankbarkeit entstanden. Nicht weil die Dorfbewohner viel geerntet oder viel Gewinn gemacht hatten. Nein, sie hatten durch Gottes Bewahrung eine schlimme Krankheit überlebt in einer Zeit, in der es noch keine medizinische Rundumversorgung gab. Das Gelübde erinnert sie daran und bringt ihre Dankbarkeit Gott gegenüber zum Ausdruck.

Wieder feiern wir Erntedank und dekorieren mit Erntegaben. Normalerweise erzähle ich in dieser Zeit aus meinem Garten, wie die Wühlmäuse mir die Ernte wegfressen, Würmer meine Äpfel faulig werden lassen und wie dick die Kartoffeln dieses Jahr sind. Wofür kann ich aber in einem Jahr der Hitze und Dürre, der hohen Lebenskosten dankbar sein? Wofür? Geht unsere Dankbarkeit nur um die Ernte, die Versorgung meines Magens und materieller Dinge?   

Oder kann ich auch für überstandene Krankheiten dankbar sein? Für schöne Tage in Gemeinschaft mit Freunden, für einen Sonnenuntergang, für Regen, für viele Jahre gemeinsam mit meinem Ehepartner. Bin ich dankbar für Kleinigkeiten wie ein Lächeln, ein Händedruck, ein Eis, ein Gespräch, für ganz profanes wie einen Parkplatz, staufreie Straßen, den Weg zur Arbeit ohne Unfall? Für meine Kinder, egal wie sie sich gerade verhalten, für das Leben, auch wenn es nicht immer so ideal verläuft?  

Lasst uns wieder dahin kommen, für viel weniger dankbar zu sein. Dankbarkeit kann morgens beim Aufwachen beginnen und endet mit dem Einschlafen. Nicht jeder hat ein Bett, in das er sich legt, und ein Dach über dem Kopf. Ich bin dankbar, dass ich es habe, nehme es aber meistens als Selbstverständlichkeit. Helfen wir uns gegenseitig, dankbar zu sein, auch füreinander. Vielleicht findest du dein eigenes Gelübde, mit dem du Gott deine Dankbarkeit zeigst. 

Claudia Hestermann
Diakonin